Kurdischer Schmerz

Mein Wecker klingelt, sofort gehen meine Augen auf, ich springe aus dem Bett, drehe die Musik auf und lauf ins Badezimmer. Danach zieh ich mich um, frühstücke, pack meine Tasche und lauf ausm Haus, steig in meine Bahn und fahr mit kurdischer Musik in den Ohren zur Uni. Gemütlich schlendere ich in den Hörsaal. Auf dem Weg bleib ich stehn und schau über die Glasdecke nach draußen.

Der erste Stich trifft mein Herz. Ich darf den Himmel sehn, viele meines Gleichen nicht.

Im Hörsaal angelangt sehe ich fröhliche Gesichter, die mich freundlich begrüßen. Ich erwiedere und setzt mich wie gewöhnlich nach vorne. Der Professor spricht von Freiheit.

Bei dem Wort Freiheit trifft ein zweiter Stich mein Herz. Ich darf frei sein, viele meines Gleichen nicht. Viele meines Gleichen sind fast 40 Millionen. Diese 40 Millionen sind nicht frei, WEIL SIE KURDEN SIND!!  

Ich überlege, warum die Freiheit eigentlich so wichtig ist. Kann der Mensch nicht ohne Freiheit auskommen? Würde es nicht reichen, wenn er einfach Recht auf Leben hätte? Ich komme zum Entschluss, dass erst durch Freiheit ein Mensch zu seiner Persönlichkeit gelangt. Ein Mensch braucht die Freiheit, um über sein Leben zu bestimmen. Ein Mensch braucht die Freiheit,  um Mensch zu werden und zu bleiben. Ein Recht auf Leben kann man ohne Freiheit gar nicht haben. Denn Leben bedeutet, auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit , die ohne Freiheit nicht stattfinden kann.

Mir schießt die Frage durch den Kopf, ob die Freiheit nun das höchste Gut in einem Staat ist. Ich scheitere bei der Beantwortung dieser Frage. Ich bin kein Philosoph und bediene mich somit der Vorstellung der großen Philosophen.

Jean-Jacques Rousseau versteht die Errichtung des Staates als Freiheitsordnung. In ihr soll die Form des Zusammenschlusses gefunden werden, in dem alle vereinigt sind, sich selbst gehorchen und jeder frei bleibt, WIE VORHER!

Wenn die Errichtung des Staates auf Freiheit beruht, dann müsste es das höchste Gut eines Staates sein.

Bei dieser Überlegung tut es innerlich wieder weh. In keinem Teil Kurdistans ist diese Überlegung realisiert! Es gibt keinen Zusammenschluss. Vielmehr werden wir Kurden ausgeschlossen!! Eine Eingliederung in den Staat (in allen Teilen Kurdistans!) wird bedachtsam umgangen. Damit werden unsere Rechte vom Staat zertreten, weil wir keine Mitbestimmungsrechte besitzen. Damit wird uns unsere Freiheit weggenommen. Das höchste Gut wird uns nicht zugesprochen.

Es tut wieder weh.. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Es tut wieder weh, es schmerzt. Es ist kein normaler Schmerz. Es ist ein kurdischer Schmerz. Ein kurdischer...!

 

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